Morgekafi mit Elisabeth Zecchinel
Elisabeth Zecchinel, ehemalige Schulleiterin der Schule Roth-Haus in Teufen
Ob der am 5. September wolkenbruchartig niedergehende Regen oder die ökumenischen Seniorenferien der Kirchgemeinden Teufen Grund sind, dass nur wenige den Weg in den Theorieraum der Landhausturnhallen gefunden haben, wir werden es nicht in Erfahrung bringen. Aber wer nicht da war, hat viel Interessantes verpasst!
Man muss Menschen und insbesondere Kinder mit speziellen Bedürfnissen mögen
An den Anfang ihrer Ausführungen hat Elisabeth Zecchinel, ausgebildete Heilpädagogin mit Spezialgebiet ‘kognitive Beeinträchtigung’, ihre beruflichen Stationen gestellt. Sie war Gesamtleiterin des Sonderschulheimes Chilberg in Fischingen und hat danach in den Heilpädagogischen Dienst der Kantone SG/GL/AR gewechselt. Bei dieser Arbeit allerdings hat der direkte Kontakt zu ‘ihren Kindern’ gefehlt und so ist der Ruf aus Teufen, die Schulleitung der Sonderschule Roth-Haus in Teufen zu übernehmen, hochwillkommen gewesen.
Aus den Worten von Elisabeth Zecchinel ist nicht nur Begeisterung für ihre Arbeit zu hören, sondern auch tiefe Verbundenheit mit den der Schule Roth-Haus anvertrauten Kindern und deren Eltern. So erzählt sie mehrmals vom immer noch bestehenden Kontakt mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern, weit über deren Schulzeit hinaus und von speziellen Erlebnissen, wie z.B. der Zusammenarbeit ihrer Schule mit Regelklassen im Projekt ‘Zirkus Pipistrello’.
Die Roth-Haus Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern
Die dem Roth-Haus anvertrauten Schülerinnen und Schüler sollen ihren Fähigkeiten entsprechend gefördert, aber nicht überfordert werden. Denn häufig ist es gerade die Überforderung durch die heute oftmals bevorzugte integrative Beschulung, dass Kinder mit speziellen Bedürfnissen nicht mithalten können. Ziel der Schule ist es, die Ressourcen der Kinder so zu fördern, dass sie entsprechend ihren Fähigkeiten in ein gutes, ihnen angepasstes ‘Nachschulleben’ entlassen werden können. Berührend dabei zu erfahren, wie vorurteilslos die Roth-Haus-Kinder mit den gegenseitigen Behinderungen umgehen, wie kurz bei ihnen Streitereien dauern und wie grossartig sie sich freuen, wenn sie etwas für sie Neues beherrschen. Und dies tun auch ihre Eltern. Beim Projekt ‘Zirkus Pipistrello’, einer einwöchigen Zirkuszusammenarbeit mit einer Regelklasse zeigt sich, wie Roth-Haus-Eltern dankbar die Fortschritte ihrer Kinder entgegennehmen, während Regelklasseneltern häufig dazu neigen, die Fähigkeiten ihres Kindes minutiös mit denjenigen der Mitschülerinnen und -schüler zu vergleichen, stets in der Hoffnung, ihr Kind sei selbstverständlich im Artistenfeld das Beste.
Die Finanzen
Erst mit dem Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, das 1960 in Kraft getreten ist, sind Kinder und Erwachsene mit speziellen Bedürfnissen in den Fokus der Öffentlichkeit getreten. Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für diese Menschen ist in den Vordergrund hat an Bedeutung gewonnen, viele ethische Fragen sind in den Raum gestellt und einige sogar gelöst worden. Die Schweiz hat sich 1994 zur Einhaltung der Erklärung von Salamanca bereit erklärt, die die schulische Inklusion fordert und danach 2004 das Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft gesetzt sowie 2014 die Behindertenrechtskonvention ratifiziert.
Zwar hat sich die Invalidenversicherung im Jahr 2008 aus der Finanzierung von Sonderschulen zurückgezogen und diese in den Verantwortungsbereich der Kantone gelegt. Seither herrscht in Sachen Finanzierung das Prinzip: «Es isch vo Kanton zu Kanton verschiede»! Die von Anke Joos und der Teufnerin Milly Keller, beide Mütter von Kindern mit speziellen Bedürfnissen, vor Jahrzehnten ins Leben gerufene Schule Roth-Haus ist zu Beginn von einer Stiftung getragen worden. Und heute noch bestimmen ehrenamtlich tätige Stiftungsratsmitglieder, wie die Kantons- und die bedauerlicherweise immer spärlicher fliessenden Spendengelder, verwendet werden sollen. Die Stiftungsratsmitglieder haben – dank ehrenamtlicher und damit preiswerterer Tätigkeit – die Löschung der Stiftung und die Übergabe ihrer Aufgabe ans Erziehungsdepartement verhindert.
Dir, Elisabeth, sei herzlich gedankt für deine packenden und berührenden Ausführungen.